Den Formen kooperativen Wirtschaftens und Handelns werde ich mich in den nächsten Jahren in Forschung und Beratung intensiv widmen. Einen großen Schwerpunkt wird dabei die Entwicklung von neuen Genossenschaften einnehmen.
Durch eine Reihe von Workshops in unterschiedlichen Handlungsfeldern habe ich Impulse für die Gründung Neuer Genossenschaften gesetzt, z.B. für EPU-Genossenschaften (Genossenschaften zum Zusammenschluss von Ein-Personen-Unternehmen) im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich und für LEADER-Projekte und LEADER-Regionen im Rahmen des Netzwerks Zukunftsraum Land. Besonders beschäftigt mich, alternative Organisationsformen für die 24-Stunden-Pflege zu entwickeln.
Den Ausgangspunkt meiner Arbeit auf diesem Gebiet bildete ein Projekt zur Erforschung und Beratung von Genossenschaften in der Mongolei.
Ich freue mich, dass ich hier ehrenamtlich mitgestalten kann.
In welchem gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Kontext steht dieses Projekt?
Warum Genossenschaften?
“Kooperatives wirtschaften” berührt Grundfragen der menschlichen Existenz und die Organisation der (beruflichen) Arbeit als eine zentrale materielle und ideelle Basis von Menschen und Gesellschaften.
Die Organisationen der Arbeit sind neben ihrer Funktion zur Sicherung des Einkommens und der sozialen Verortung in der Gesellschaft auch ganz wesentliche Sozialisationsinstanzen, in denen persönliche und gesellschaftliche Orientierungen, Zugehörigkeiten, Fähigkeiten und Werthaltungen vermittelt werden.
Die “Vienna Biennale 2017” hat die damit verbundenen Kernfragen in Ausstellungen und Publikationen sehr eindrucksvoll auf den Punkt gebracht: Wirtschaften bewegt sich entlang der Differenz von “Gewinn-Logik” und “Commons-Logik”. Entlang der Fragen, ob das für Wirtschaften maßgebliche Menschenbild nur die individuelle Nutzenmaximierung oder auch den Menschen als kooperationsfähiges, soziales Wesen umfasst; ob in der Praxis nur Konkurrenz dominiert, oder auch die Kooperation Geltung erlangt; etc (Vienna Biennale, 2017).
Das Thema Kooperation hat in Theorie und Praxis in den letzten 20 Jahren im Management von Profit Betrieben, im Public Management und in den zivilgesellschaftlichen Einrichtungen einen enormen Aufschwung erfahren. Ralph Grossmann hat seit Mitte der 1980er Jahre zahlreiche Netzwerke und Kooperationen zwischen Organisationen als Organisationentwicklungsberater begleitet und erforscht (vgl. Grossmann Lobnig & Scala, 2007).
Ein Signal für kooperatives Wirtschaften war auch die Verleihung des Wirtschafts-Nobelpreises an Elenor Ostrom 2009 für ihre Arbeiten zu den “Commons” (vgl. auch Helfrich, Boiler und Heinrich-Böll-Stiftung, 2015).
Unternehmerisches Handeln kollektiv sichern
“Cooperatives are autonomous associations of persons united voluntarily to meet their common economic, social and cultural needs and aspirations through jointly-owned and democratically-controlled enterprises.” (ICA, 1995; ILO, 2002)
Genossenschaften (“cooperatives”) zeichnen sich – historisch gewachsen – durch folgende Prinzipien aus:
- Voluntary and open membership
- Democratic member control
- Member economic participation
- Autonomy and independence
- Education, training and information
- Cooperation among cooperatives
- Concern for community
(ICA, n.d.)
Genossenschaften sind damit, in ihrer Organisationsform auf Selbsthilfe, Eigenverantwortung, demokratische Entscheidungsfindung, Gleichberechtigung, Solidarität und sozialen Zusammenhalt ausgerichtet. Wenn es gelingt, diese Organisationsprinzipien praktisch einzulösen, sind Genossenschaften über die Unternehmensform hinaus „soziale Laboratorien“ um Fertigkeiten, soziale Kompetenzen und Orientierungen zu erwerben, welche eine verantwortungsvolle Teilhabe an der Gesellschaft fördern.
Genossenschaften stellen eine Arbeits- und Unternehmensform dar, die zum Ziel hat, kooperatives Wirtschaften auf konkurrenzorientierten Märkten zu ermöglichen und die Konkurrenz-Logik mit der Commons-Logik zu verbinden. Den Genossenschaften wird auch nachhaltiges Wirtschaften in doppeltem Sinne zugeschrieben; im Sinne der Überlebensfähigkeit der Unternehmen und im Sinne ihrer gesellschaftlichen Wirkungen.
Verankerung und Mandat internationaler Institutionen
Genossenschaften haben in ihrer rund 150-jährigen Geschichte eine große internationale Verbreitung und – vor allem in den letzten zehn Jahren – auch eine breite internationale Anerkennung als ergänzende und alternative Form des Wirtschaftens erfahren. Die UNO, die ILO und die ICA (International Cooperatives Alliance) sind hier die Hauptakteure der internationalen Politik.
Genossenschaften werden im Rahmen der UN Sustainable Development Goals (UN SDGs) als gleichberechtigte Form des Wirtschaftens genannt. Unter Punkt 67 der Resolution zu den SDGs steht:
“Private business activity, investment and innovation are major drivers of productivity, inclusive economic growth and job creation. We acknowledge the diversity of the private sector, ranging from micro-enterprises to cooperatives to multinationals…”
(UN, 2015)
Auch auf EU Ebene wurde diese Verankerung aufgegriffen. Am 07. Juni dieses Jahres haben die Spitzen der EU (Parlament, Kommission, Rat) einen „New European Consensus on Development“ unterzeichnet, eine Strategie um die Implementierung der 2030 Sustainable Development Agenda auszurichten. In diesem Dokument werden Genossenschaften in mehrfacher Hinsicht als wichtiger Partnerinnen ausgewiesen. Es heißt in dem Dokument unter anderem:
“… the EU will promote private sector initiatives and social enterprises, cooperatives, and women and youth entrepreneurs, to boost the provision of local services as well as inclusive and green business models.”
(in ICA 2017)
Was können Genossenschaften leisten und was brauchen sie um erfolgreich zu sein?
/ Genossenschaften können eine flexible, maßgeschneiderte Unternehmens- und Organisationsform und damit auch einen rechtlichen Rahmen bereitstellen.
/ Und sie können – wie skizziert – eine Unternehmens- und Organisationsform darstellen, die Eigeninitiative, Partizipation, Kooperation und demokratische Orientierung stärkt.
Kooperativen sind eine attraktive aber sehr voraussetzungsvolle Organisationsform.
/ Sie müssen sich national und global im Wettbewerb mit traditionellen kapitalistischen Unternehmen behaupten
/ Sie müssen wie jede Organisation geführt und gemanagt werden, aber sie brauchen kooperative Steuerung und Entscheidungsfindung
/ Sie sind gefordert, innovative interne und externe Vernetzungsformen zu schaffen
/ Sie müssen sich zu den spezifischen politisch-rechtlichen und kulturellen Rahmenbedingungen der Gesellschaft in Beziehung setzen und auch aktiv darauf Einfluss nehmen.
/ Dementsprechend müssen begleitend zu der fachlichen Tätigkeit personenbezogene und organisationale Lernprozesse realisiert werden.
In der internationalen Diskussion, Literatur und Praxis von und über Genossenschaften werden diese speziellen Themen der Organisationsentwicklung eher vernachlässigt. Sie sind aber für einen nachhaltigen Erfolg der Genossenschaften entscheidend.
Kooperatives Wirtschaften: Entwicklungsprojekt “Neue Genossenschaften”
Unter diesem Titel habe ich 2019 bis 2020 als Forscher und Berater ein Projekt im Auftrag der Raiffeisen Revisionsverbände und des Österreichischen Raiffeisenverbandes durchgeführt. Laura Šukarov-Eischer hat dazu inhaltlich und organisatorisch wertvolle Beiträge geleistet.
Im Kern zielt das Projekt darauf,
/ in fünf ausgewählten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Handlungsfeldern je zwei herausragende Fallbeispiele zu identifizieren und
/ diese im Rahmen einer Multi-Stakeholder-Analyse aus der Sicht der Organisationsentwicklung zu untersuchen.
/ Die Ergebnisse werden so aufbereitet, dass sie für österreichischen GründerInnen als Inspiration und fachliche Orientierung dienen können und darauf
/ interaktive Veranstaltungen und Medienarbeit zur Förderung von Gründungsprozessen in Österreich aufgebaut werden.
Fotos: Kalkbreite Zürich, WeiberWirtschaft Berlin